Interview von Sebastian Steinhäußer mit Michael Danner

26.1.2015 im Museum Art.Plus Donaueschingen


Herr Danner, wir zeigen von Ihnen in der Ausstellung between sowohl Plastiken als auch Zeichnungen und Malerei. Haben Sie schon immer in allen Gattungen gearbeitet oder hat sich das mit der Zeit erst so ergeben?

Ich habe schon immer Malerei und dreidimensionale Arbeiten parallel zueinander geschaffen. Beide Medien sind für mich gleichwertig. Gleichzeitig sind es Gegenpole. Skulptur deckt für mich mehr den physischen Bereich des Menschen ab, Malerei und Zeichnung mehr den geistigen. In meinen schwarz-weißen Malereien, ziehe ich unter höchster Konzentration und Anspannung Linien auf der Leinwand. Physikalisch gesehen sind es hinterher nur noch aneinandergeklebte Pigmentpartikel. Die in ihnen steckende Bewegung vollzieht der Betrachter erst in seinem Kopf nach. Im Gegensatz dazu ist in meinen Skulpturen aus Federstahl die Spannung physikalisch, also körperlich vorhanden. 

Diese Verbindung von Geist und Körper ist ja auch wesentlicher Bestandteil Ihrer Leidenschaft, dem asiatischen Kampfsport.

Ich habe mich viel mit asiatischer Philosophie beschäftigt. Doch es genügte mir nicht, nur darüber zu lesen. Ich wollte auch physisch Erfahrungen damit machen. Und so bin ich zum Taekwondo gekommen, bei dem es ebenfalls um die Wechselwirkungen von Körper und Geist geht. Auf der einen Seite ist eine sehr hohe Konzentration notwendig, auf der anderen Seite rein physische Körperbeherrschung. 

Sie haben erwähnt, dass die Performance „Am Ort – zur Zeit“ eine Schlüsselarbeit in Ihrem Schaffen ist. Inwiefern ist das so?

„Am Ort – zur Zeit“ ist tatsächlich ein zentrales Werk für mich. In der Performance habe ich viele Aspekte, mit denen ich mich beschäftige und die in fast all meinen Arbeiten Thema sind, ganz komprimiert auf einen Punkt gebracht. Das sind zum einen die drei Bewegungsrichtungen, mit denen unser Lebensraum definiert werden kann: Die Waagrechte, die Senkrechte und der Kreis. Die Waagrechte ist die Basis, das, worauf wir stehen. Die Senkrechte ist die Erdanziehung. Unser ganzer Körper ist so konstruiert, dass er auf die Erdanziehung reagiert. Zu ihr richten wir uns immer aus, bewusst oder unbewusst. So sind wir stets dazu im Gleichgewicht. Der Kreis schließlich ist das Dynamische, das Vorwärtsgehen, auch das Zyklische. Hinzu kommt der Faktor Zeit. All diese Aspekte habe ich in der Performance „Am Ort – zur Zeit“ zusammen gebracht. 

Spannung ist das wesentliche Thema in Ihren Arbeiten. Sie ist in Ihren dreidimensionalen Werken vom Betrachter gewissermaßen auch physisch erlebbar. Er spürt, welche Kräfte dahinterstecken. Worin besteht aus Ihrer Sicht die Rolle des Betrachters in Ihren Kunstwerken?

Der Betrachter ist immer mit einbezogen. Meine Skulpturen sind sehr filigran. Das größte Volumen, das die Objekte einnehmen, besteht aus nichts, also aus Zwischenräumen. Dadurch sind sie sehr stark mit dem Umraum verbunden. Wichtig ist, welche Position der Betrachter zu den Skulpturen einnimmt. Je nachdem, von welcher Seite man sie betrachtet, haben sie ein ganz anderes Erscheinungsbild. Der Betrachter kann sogar eingreifen, indem er eine Bewegung auslöst, um umso mehr die Spannung, die in ihnen steckt, nachzuvollziehen. 

Wie entstehen Ihre Arbeiten. Sind sie im Vorfeld berechnet oder entstehen sie im Machen?

Meine Arbeiten kann man nicht berechnen. Die Formen in meinen Skulpturen entstehen, indem ich etwas in Relation, in Spannungsbezüge bringe, so dass durch diesen gegenseitigen Halt und diese Verbindung die Form entsteht; die Form der Biegung des Stabs und daraus folgend eben auch die Form des Raumes, der aufgespannt wird. Ich kann diese Räume also nicht willkürlich machen. Das ist auch gewissermaßen eine Kontrolle mir gegenüber, um nicht beliebig zu sein. Jedes Teil, jede kleine Veränderung verändert gleich das Ganze, weil alle Kräfte dann wieder anders zueinander wirken. 

Was ist Ihrer Ansicht nach das Wesen von Kunst?

Wir leben alle nicht ewig, haben aber die Möglichkeit, sehr vieles über unsere Existenz zu erfahren. Die ist extrem komplex und es gibt unendlich viele Aspekte. Kunst im weitesten Sinn ist sicher eine Möglichkeit, in manche, auch in ganz wichtige Aspekte relativ intensiv eindringen zu können. Ich bedaure, dass dieses Potenzial von vielen zu wenigen genutzt wird.